Faszination Auswanderung

  • Hallo zusammen,


    ich frage mich seit einiger Zeit, was das Thema Auswanderung eigentlich so faszinierend macht - nicht nur für uns Familienforscher? Eine Geschichte vom (vermeintlichen) "Onkel in Amerika" wurde ja in fast jeder Familie überliefert und hat die Menschen in den Bann geschlagen.


    Ich selbst beobachte mich, wie ich -zig Generationen Nachfahren von Auswanderern recherchiere, die mit meiner Familie eigentlich kaum noch etwas zu tun haben. Ich "pflüge mich" durch Schiffslisten und Census-Listen von Burlington, Wisconsin, nur weil mich so brennend interessiert, ob die dort genannten Menschen vielleicht aus dem südlichen Münsterland stammen - auch wenn es völlig fremde Menschen sind.


    Woher kommt diese Faszination?

  • Liebe Simone,


    Du hast von Deinen Vorfahren ein kleines Zipfelchen DNA zur Abenteuerlust in Dir. Deshalb die Suche nach den Auswanderer Familien.


    Aber Du hast schon Recht, Faszinierend sind die Geschichten, als die Menschen auswanderten, um "ihr Glück zu machen". Welche Gründe auch immer dahinterstanden.


    Liebe Grüße, Ursula

    Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Ich gieß Wasser zur Suppe und heiß alle willkommen.


    Viele Grüße, Ursula

  • Liebe Simone,


    möglicherweise spielt ja - neben anderen Gründen - auch der Gedanke daran eine Rolle, mit räumlich weit entfernten Menschen irgendwie in Verbindung zu stehen (die Welt als "Dorf") und/oder der Gedanke daran, was hätte passieren können, wenn die eigenen Vorfahren ausgewandert wären?


    Ich selbst habe in dem von Dir angegebenen Sinne zwar noch keine Nachfahrenforschung betrieben, aber doch zumindest vereinzelt durch Genealogien anderer Forscher überraschende Verbindungen (teils sicher, teils unsicher) gefunden, was ich durchaus faszinierend finde, zumal ich selbst ein halbes "Auswandererkind" bin.
    Abgesehen von meinem eigenen Vater (der ist von Sizilien aus nach Norddeutschland gekommen) habe ich aber auch eine Reihe von Vorfahren, bei denen ich eine ausgedehnte "Binnenwanderung" feststellen konnte, die ich im historischen Zusammenhang ebenfalls spannend finde, zumal ja Wanderbewegungen oft in einem historischen Zusammenhang stehen (im Fall meines Vaters: Wirtschaftsboom der 1960er Jahre, bei anderen Vorfahren teils wirtschaftliche Not, teils Kriegsfolgen (insbesondere der 30jährige Krieg), teils die Übernahme von Ämtern (bei adligen Vorfahrenfamilien, deren Möglichkeiten in ihrem Herkunftsstaat eher begrenzt waren), teils (vermutlich) politisch bedingte befristete Auswanderung - und in einem Fall erzwungene, fluchtartige Auswanderung aufgrund einer geradezu grotesken Fehleinschätzung der potentiellen Folgen einer eigenen, fragwürdigen Aktion, um Druck auszuüben...


    Aber was ich ebenfalls spannend finde: aus einem Ort, in dem Vorfahren von mir gelebt haben, gibt es einen Bericht über eine im Endergebnis missglückte Auswanderung in die USA - aufgrund derer keine weiteren Dorfeinwohner mehr dorthin auswandern wollten. Oder andererseits: über einen Menschen, der Nachfahrenforschung zu einer meiner Vorfahrenfamilien betrieben hat, habe ich auf einem Friedhof der Stadt, in der ich wohne, Grabmäler von Nachfahren eigener Vorfahren gefunden, deren Ursprünge ganz woanders lagen. Das waren reiche Kaufleute, während meine eigenen näheren Vorfahren eher aus dem kleinbäuerlichen Millieu stammten...


    Grüße

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Natürlich kann das Thema Auswanderung sehr spannend sein. Trotzdem merke ich, dass ich selten versuche, herauszubekommen, was aus den ausgewanderten Mitgliedern meiner Familien geworden ist. Die sind eben weg und spielen hier keine Rolle mehr. Eine nach Südamerika ausgewanderte Familie ist später zurückgekommen.
    Mein Eindruck ist, dass fast jeder Vorfahren hat, von dem Familienangehörige irgendwann ausgewandert sind.

  • Hallo


    Mich hat die Faszination der Erforschung von Auswanderern, insbesondere nach Nordamerika, schon 2006 gepackt und hält immer noch an.
    Mittlerweile habe ich alle Personen mit einem bestimmten Namen aus zwei bestimmten Dörfern in der Schweiz erforscht, die in die USA
    oder nach Kanada ausgewandert sind. Momentan schreibe ich mit dem gesammelten Material eine Auswanderer-Chronik.


    Was ich am Ganzen besonders interessant finde ist, dass es extrem viele Quellen gibt, die meist leicht zugänglich sind. Durch die vielen
    Möglichkeiten, in Online Archiven und Datenbanken Informationen zu finden, kann man einen ganzen Lebenslauf zusammenstellen. Auch
    wenn man sich für die Lokalgeschichte interessiert, findet man eine Menge interessanter Local History Websites.


    Genau das faszinierte mich so, dass ich meinen Forschungsradius immer mehr ausgeweitet habe und auch immer wieder gerne
    Anfragen im Forum bezüglich Amerika-Auswanderer beantworte und anderen helfe Spuren ihrer Vorfahren in Amerika zu finden.


    Gruss
    Svenja

  • Hallo Zusammen!


    Die Auswanderung meines Urgroßvaters im Alter von über 60 Jahren hat mich überhaupt erst dazu gebracht nach meinen Ahnen zu forschen. Ich wollte Bestätigung für die ganzen Geschichten, die zum Teil so unglaublich klangen. Und ich wollte und will immer noch herausfinden, welches Schicksal er und seine Familie (immerhin 17 Kinder!) erfahren haben. Es ist für mich einfach Spannung pur.
    Und überhaupt: Man lernt viel über diese Zeit und über die Länder, Städte etc.


    Gruß Hedi

  • Hallo zusammen,


    Danke für Eure vielen Beiträge!


    Ja, ich glaube, die Abenteuerlust steckt mir auf jeden Fall im Blut. Für mich sind die Auswanderer auf jeden Fall nicht "eben weg", sondern mich interessiert, ob sich ihre Erwartungen an ein besseres Leben erfüllt haben, ob sie vielleicht Nachkommen hatten, aus denen etwas Besonderes geworden ist...


    Wenn man "daheim" bereits interessante Vorfahren hat und nicht nur Tagelöhner und Ackerknechte oder "Auswanderer-Kind" ist wie Sbriglione , dann erübrigt sich das Thema vielleicht, weil man schon genug spannende Geschichten zu erzählen hat. Aber für viele - damals wie heute - wird es zu den interessanteren Erzählstoffen gehören.


    HediSt: Wie kommt ein über 60-jähriger alter Mann (damals war das gefühlt ja noch viel älter als heute) dazu, noch nach Amerika auszuwandern? Konnte er bei keinem der Kinder, die zurückblieben, bleiben?

  • Hallo,


    <<<Wie kommt ein über 60-jähriger alter Mann (damals war das gefühlt ja
    noch viel älter als heute) dazu, noch nach Amerika auszuwandern? Konnte
    er bei keinem der Kinder, die zurückblieben, bleiben?


    Das ist in der Tat nicht so leicht zu verstehen. Mein Urgroßvater wollte schon mit seiner 1. Frau (meine Urgroßmutter) auswandern. Diese weigerte sich aber mit dem Hinweis es ginge ihnen doch gut. Was auch damals stimmte. Doch dann starb meine Urgroßmutter. Mein Urgroßvater (etwas über 50 Jahre) heiratete wieder. Die Kinder aus der ersten Ehe waren wenig begeistert darüber. Besonders die Älteren.
    Dann kamen wirtschaftlich Probleme und der 1. Weltkrieg dazu. Und einiges mehr. Unter anderem hatte er für fünf kleine Kinder zu sorgen. Die großen Kinder suchten ihren eigenen Weg.
    Damals wie heute ist es nicht einfach den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann man als "Familienoberhaupt" das Zepter der jüngeren Generation übergibt. Seine Tatkraft, sein Wille und seine Energie waren bestimmt zum Zeitpunkt der Auswanderung noch stark vorhanden. Und wer kann schon in die Zukunft blicken.


    <<<Wenn man "daheim" bereits interessante Vorfahren hat und nicht nur
    Tagelöhner und Ackerknechte oder "Auswanderer-Kind" ist wie Sbriglione ,
    dann erübrigt sich das Thema vielleicht, weil man schon genug spannende
    Geschichten zu erzählen hat. Aber für viele - damals wie heute - wird
    es zu den interessanteren Erzählstoffen gehören.


    Da stimme ich Dir voll und ganz zu!


    Gruß Hedi

  • Vielleicht ist auch ein klein wenig Neid, dass ein Vorfahr den Mut aufgebracht hat, ein völlig neues Leben in einem unbekannten Land zu wagen. Wobei viele damals ja dies als einzige Möglichkeit gesehen haben für ein gutes Leben, das zuhause vielleicht nicht mehr möglich war.


    Ich selbst habe meines Wissens keine direkten Vorfahren, die ausgewandert sind. Aber ich glaube, eine Kusine meines Opas ging nach Amerika, das war allerdings schon in den 60ern oder 70ern und ich kann mich nicht mehr genau erinnern, will meinen Vater aber noch mal genauer danach fragen. Ich meine, sie ging nach Minnesota.

    Suche: FN Lüning (Dorstfeld, Recklinghausen, Dülmen), FN Klaus/Claus (Haltern am See), FN Liedtke (Dirschau, Danzig, Dülmen), FN Sichtermann (Bochum, Indiana/USA), FN Stryczynski, Marciniak (Rogazyce, Jarotschin, Radlin/Posen)

  • Ich habe viel über einen Familienzweig zusammengetragen, dessen Urahn im 18. Jahrhundert vom Elsass nach Amerika ausgewandert ist. Ich versuchte damals, eine Verbindung zur Familie meiner Frau zu finden, und wies schließlich nach, dass diese nicht existiert. Trotzdem hat mir diese Forscherei viel Spaß gemacht, und ich habe dadurch viele nette Forscherkollegen kennengelernt.


    Und auch ich kenne dieses eigenartige Gefühl, wenn ich drüber nachdenke, wie es gewesen sein muss, alles aufzugeben, mit einem Schiff unter bestimmt großen Strapazen in ein fremdes Land zu fahren und da völlig neu anzufangen. Diese Mischung aus Angst und Hoffnung. Dieses Gefühl, das es zu schaffen ist, auch wenn's noch so schwierig erscheint.


    Seitdem meine ich manchmal, das von uns oft so belächelte Klischee zu verstehen, wie die US-Amerikaner auf uns wirken. "Sei nett und fröhlich, irgendwie wird's schon klappen. Mach Dir keine Sorgen, denk nicht so viel nach." Nur wenn man diese (von uns Europäern oft als oberflächlich abgetane) Einstellung hat, wandert man aus. Und so erklärt es sich für mich ganz logisch, dass dort eine neue große Gruppe von Menschen heranwuchs, die eben heute größtenteils positiver ins Leben blickt als wir "Zurückgebliebenen", die von Amerikanern eher als nachdenklich und vorsichtig angesehen werden.


    Es ist wohl so ähnlich wie bei einem Kind, das erwachsen geworden ist, und von uns "ins Leben hinausgelassen wird". Für uns Eltern ist es immer ein Kind, naiv und unbeholfen, aber es wird seinen Weg machen. Und so ähnlich blickt wohl Europa auf Amerika, glaube ich manchmal. Die Kunst? Die Literatur? Die Wissenschaft? Nicht alles etwas hemdsärmelig? Aber nicht selten ist man manchmal erstaunt, was die Kinder auf einmal alles können...


    Viele Grüße
    Steffen

  • Wenn man so darüber nachdenkt...ohne uns Europäer bzw. unsere Vorfahren, die dorthin ausgewandert sind und das Land mit aufgebaut haben, wer weiß, wie es dort heute aussähe....

    Suche: FN Lüning (Dorstfeld, Recklinghausen, Dülmen), FN Klaus/Claus (Haltern am See), FN Liedtke (Dirschau, Danzig, Dülmen), FN Sichtermann (Bochum, Indiana/USA), FN Stryczynski, Marciniak (Rogazyce, Jarotschin, Radlin/Posen)

  • Ich habe "auch" Onkels in Amerike - lt. Familiensaga. Und nachdem meine Urgroßmutter ein uneheliches Kind bekam, wäre sie ausgewandert zu ihren Brüdern, aber das Schiff wäre nie angekommen. Auch Nachforschungen Deutschlands und der USA ergaben nichts, sodass die "Tatsache" herrschte, sie wurde Opfer von Piraten.


    Ich habe dann auch mal grob mit den Passagierlisten beschäftigt, ob ihr Name oder ähnlich lautend überhaupt an Bord ging. Dass man sich in Amerika sicherlich leichter mit einem neuen Namen "einschleichen" konnte, war mir klar, suchte aber trotzdem.


    Je mehr ich nachforschte, desto mehr bestand der Verdacht, dass wohl meine Taktik bei einem Spiel (ich glaub Mr. X) angewandt wurde: ausrechnen, wann man zeitlich an Bord sein konnte, mind. 1 Weg nahm, der heimlich war und anstatt aufs Schiff um die Ecke ging. Wien war damals auch nicht grad klein und aus dem Dorf wo sie kam ... die Gefahr, sich zu begegnen war also gering. Heiraten und somit neuer Name, evtl. andere Frisur: und schon ist man "verschollen".


    Wenn dann von Ancestry ein Hinweis von einem Namen in Amerika kommt, schlägt das Herz doch etwas höher, aber jedesmal stellte sich raus, dass eine Namensgleichheit keine Blutsverwandschaft ist. Aber wenn man sich auf die Auswanderer konzentriert, kann ich mir gut vorstellen, dass das eine absolute Faszination ist. Aber bevor ich mich mit meinen angeblichen Auswanderern näher beschäftige, bleibe ich erst mal in Oberbayern. :D 8-) :D


    Zitat

    ohne uns Europäer bzw. unsere Vorfahren, die dorthin ausgewandert sind und das Land mit aufgebaut haben, wer weiß, wie es dort heute aussähe


    :D


    LG, Doschek