Frauenanrede zu Beginn des 20. Jahrhunderts

  • Hallo zusammen,


    - auf einer Feldpostkarte meines Großvaters an seine frischangetraute Ehefrau redet er diese mit "Frau Thomas Ossowski" an. Aus heutiger Sicht wäre ja "Frau Anna Ossowski" üblich.


    - auf einem Sterbebildchen wird die Verstorbene als wohlachtbare "Frau Jacob Ossowski" bezeichnet. Darunter steht zumindestens kleiner geschrieben ihr Mädchenname "Gertrud Canjé".


    Beide Beispiele stammen aus Köln im Zeitraum um 1920. Habt Ihr so etwas auch schon mal gefunden oder gesehen? Mich bewegt die Frage, ob es damals so üblich war, die Frau mit dem Namen des Ehemannes zu bezeichnen. Auffällig ist für mich ferner, daß dies in anderen Sprachräumen meiner Vorfahren (Sachsen, Westpreußen, Schleswig) nicht der Fall war.

    mit herzlichen Grüßen aus dem Landesteil Südschleswig

    med venlig hilsen fra Sydslesvig


    Egon Ossowski


    Forschungsgebiete: Westpreußen (Czersk, Bruß) [FN Ossowski], Köln, Leipzig [FN Schlegel] und Kreis Schleswig-Flensburg [FN Nissen]

    Homepage: https://egonossowski.wixsite.com/meinewebsite

  • Hallo,


    in meiner Familie habe ich sowas nicht gefunden, aber ich glaube, die Anrede mit dem Namen des Mannes war nicht unüblich.
    Der Mann war meist Haushaltsvorstand und in der Hierarchie höher als die Frau. ( Zum Glück haben sich die Zeiten geändert. :) )
    Man sagte ja zum Beispiel auch "Frau Doktor oder Frau Professor", obwohl die Frau nur einen Mann mit Titel geheiratet hatte.


    VG
    Jutta

  • Hallo,


    wenn Du mal in die Vermisstenlisten des 1. WK guckst, die hier gerade im Crowd Sourcing abgetippt werden, findest Du als Angehörige sehr oft "Frau Hermann Müller" (natürlich nicht Hermann Müller sondern den entsprechenden Ehemann). Das war damals wohl so üblich.


    Ich habe Ende der 1980er eine Bankausbildung gemacht und da hatten wir eine Kundin, die sogar auf interne Auszahlungsbelege "Frau Dipl. Ing. (FH) XY" schrieb, obwohl nicht sie selbst sondern ihr Mann der Dipl. Ing (FH) war. Die gute Frau war damals so Mitte 30. - So lange hat sich das gehalten. (Tja, da musste frau noch das Jodeldiplom machen, um "etwas Eigenes" zu haben ;) .)


    VG
    Bärbel

  • Das hat es auch noch in den 50ern gegeben. Ich erfasse gerade die Todesanzeigen des Jahrgangs 1952, da kommt das noch häufig vor und der wirkliche Name der Frau steht ziemlich klein darunter. Das gibt mir immer einen Stich (obwohl es aus genealogischer Sicht praktisch ist, weil man dann den Namen des Mannes mitgeliefert bekommt) und ich kann mich schlecht daran gewöhnen, zumal es bei uns im Münsterland bis ins 19.Jahrhundert üblich war, dass Frauen ihren eigenen Namen weiter führten, nur mit Anhang Frau XY. Das sieht man oft in den Taufeinträgen, aber manchmal auch an alten Hofeingängen: beide Namen mit Zusatz "Eheleute".

  • Hallo Egon,


    auch ich habe so einen Fall aus dem Jahr 1920 in Ostwestfalen. Ich glaube, dass sich darin ein französischer Einfluß dokumentiert, denn dergleichen gibt es in Frankreich und Wallonien (französichsprachiges Belgien) schon sehr viel früher und auch noch sehr viel später.


    Gruß
    Detlef

  • Hallo Suchender!
    SEHR Verschieden Gegendspezifisch!
    Ich fand den alten ung. Pass der Maria Janosle
    Maria xxxx aus Dalmatien heiratete Janos AMBRUSCH (aus Budapest
    ud wohnte (zuletzt, 1970) in Kestely am Plattensee.
    Grüße, Walter

  • Mir ist in nordmährischen Kirchenbüchern oft folgende Formulierung begegnet:


    XY ... vermählt mit Henriette, geborene Andreas Köbel Bauer aus X-dorf.


    Das war sehr praktisch, man hatte gleich den Vornamen des Vaters.


    Rosaria