Warum man sich NIE auf Angaben aus der Sekundärliteratur verlassen sollte...

  • Eine kleine Geschichte:


    In einem zumindest anscheinend recht gut recherchierten Buch über eine meiner Vorfahrenfamilien habe ich einen Hinweis darauf entnommen, dass der dritte Ehemann einer meiner Vorfahrinnen Pfarrer in einem ganz bestimmten Ort gewesen sei (als direkter Nachfolger des zweiten Ehemannes meiner Vorfahrin).


    Bei meiner eigenen Einsicht in die relevanten Kirchenbücher durfte ich feststellen, dass meine Vorfahrin tatsächlich in zweiter Ehe mit einem Pfarrer des betreffenden Ortes verheiratet war (auch sein Name stimmte) und dass der dritte Ehemann meiner Vorfahrin mit der in dem genealogischen Werk tatsächlich gleichen Namens und gleicher Herkunft war (es handelte sich um einen Hl. Johann Christian Schmidt). Auch der neue Pfarrer des Dorfes hieß mit Nachnamen Schmidt - aber leider eben nicht Johann Christian, sondern Martin...


    So weit, so schlecht!


    Daraufhin kamen die "Pfarrerbücher der Provinz Sachsen" ins Spiel.
    Hier ist mir wiederum folgendes aufgefallen:
    1. der erste Ehemann meiner Vorfahrin (mein eigener Vorfahre) wurde als Pfarrer aus dem Gebiet der Landeskirche Anhalts leider nicht mit erwähnt.
    2. der zweite Ehemann meiner Vorfahrin wurde mit seinem richtigen Namen und seinen tatsächlichen (mir auch aus dem Kirchenbuch bekannten) Daten und tatsächlich zutreffenden Angaben zu seinen Kindern erwähnt.
    3. als dritter Ehemann meiner Vorfahrin wurde statt eines Johann Christian Schmidt (der kam dort überhaupt nicht vor) ein Bartholomäus Schneider angegeben, der zwar auch Pfarrer war, aber in einem ganz anderen Ort. Außerdem wurden dort angebliche Kinder, angebliche Patenschaften und die angeblichen Beerdigungsdaten meiner Vorfahrin in diesem Eintrag mit angegeben. Die leider nicht stimmen KÖNNEN, weil ihr dritter Ehemann eben nicht Bartholomäus Schneider, sondern Johann Christian Schmidt war...


    Das Ganze war für mich ziemlich enttäuschend und sollte euch allen zur Warnung dienen, nicht leichtfertig mit Sekundärliteratur umzugehen, so sehr sie auch mit "Belegen" um sich wirft!
    Und ich selbst frage mich, wo ich weiter nach dem dritten Ehemann meiner Vorfahrin, möglichen gemeinsamen Kindern und nach IHREM Sterbeeintrag suchen soll... Dürfte schwierig werden angesichts des Nachnamens und der Reisebereitschaft der "hochgelahrten" Herren...


    Grüße!

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Um noch mal einen kleinen Nachschlag zu liefern:


    was die Pfarrerbücher der Provinz Sachsen angeht, war das leider keineswegs die einzige meiner Vorfahrenfamilien, bei denen diese Sekundärquelle arg daneben lag.

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Ja, das kenne ich auch.
    Einer meiner Ahnen soll um 1700 im Nachbarort geboren worden sein, Quelle - Pfarrerbücher der Provinz Sachsen.
    Diesen FN gibts aber im ganzen KB des Ortes nicht einmal.
    Demnächst trete ich eine weite Reise zum tatsächlichen Geburtsort an und hoffe auf weitere Vorfahren und Geschwister.


    Euch allen viele Grüße von Rentier


    Tatsächlich hat sich meine Hoffnung erfüllt. :)

    Einmal editiert, zuletzt von Rentier () aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Man sollte sich auch selten auf Angaben in den Primärquellen verlassen, zumindest wenn man noch nicht weiß ob es sich beim Verfasser um ein Mathe-Genie oder eher um eine Mathe-Null gehandelt hat.
    Um was handelt es sich hier?
    Person stirbt 6.5.1834 im Alter von 68 Jahren 11 Monaten und 18 Tagen, beerdigt 9.5.1834. Rechnet man also ca. 12 Tage hinzu hätte sie am 18.5.1834 den 69. Geburtstag gefeiert und wäre also am 18.5.1765 geboren.
    Diese Person ist aber geboren am 24.6.1765, getauft am 26.6.1765.
    Was nun?
    Spekulant

  • Hallo Spekulant,


    dann war der Schreiber im Vergleich zu einigen Einträgen, die ich selbst schon gefunden habe zumindest noch ein mathematisches Talent...
    Ich selbst hatte schon Fälle, in denen es nicht nur um einige Tage, sondern um einige Jahre "verrechnen" gehandelt hat. Extremfälle bei mir: elf Jahre zu alt in dem einen Fall, drei Jahre zu jung (und damit zwei Jahre nach dem Tod seines anderweitig mehrfach abgesicherten Vaters geboren).


    Das blöde dabei ist, dass man sich ja niemals VÖLLIG sicher sein kann, dass man nicht doch selbst den Taufeintrag falsch zugeordnet hat (es hätte sich ja auch um eine externe Taufe handeln können).
    In meinen Fällen sehe ich deshalb in solchen Fällen immer zu, dass ich weitere Belege (Staatsarchive, möglicherweise besser passende weitere Sterbeeinträge, Konfirmationsregister etc.) bekomme, um meine These zu stützen - und, wenn das nichts bringt, suche ich immer noch eine Reihe von Orten in der näheren Umgebung ab, um die Fehlerquote zu reduzieren.

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Hallo Sbriglione,
    auf diesen einen Fall bezogen war er ein Genie mit Hang zu Flüchtigkeitsfehlern. Und diese Fehler sollte man als Ahnenforscher immer einkalkulieren, bei sich selbst wie auch bei jedem anderen in der damaligen Zeit als auch in der heutigen Zeit.
    Viele Einträge liegen mir zum Vergleich vor, welche die auf den Tag passen und andere mit Kindern wo manchmal nur ein paar Tage fehlen. In den allermeisten Fällen konnte ich die Rechnung aber trotzdem immer nachvollziehen. Einige Male wurde auf das Taufdatum gerechnet, und wie im vorgenannten Beispiel konnte ich sehr oft auf eine Minus/Weniger-Rechnung schließen, also in etwa ein Rückfall in "Altbewährtes" des Verfassers.
    Alle Einträge sind zu der Zeit schon in Spalten geschrieben, fehlen tut eben nur das "Minus"-Zeichen oder die "weniger"-Angabe. Komisch an diesem Eintrag ist nur das er eben nicht einfach 69 Jahre weniger die Tage bis zum Geburtstag rechnet, nein er rechnet auf die Monate zurück und zieht dann die 18 Tage ab.
    11 Monate weniger 18 Tage ergibt in der normalen Rückrechnung 10 Monate 12 Tage und das Ergebnis wird damit auch erträglicher.
    Ich muß selbst zugeben das ich mich sehr oft beim Rückrechnen(im Kopf) verheddere, gerade wenn die Altersangaben größer sind wie die Zahlen beim Sterbedatum vergißt man schnell das eine Jahr oder Monat abzuziehen.
    Manchmal ist es halt 10 Minuten nach dreiviertelzwölf !


    Spekulant